Er startete als deutscher Hoffnungsträger in der größten Pandemie unserer Geschichte. Mittlerweile hat Gesundheitsminister Jens Spahn in der Pannenstatistik selbst seinen CSU-Kollegen Scheuer aus dem Verkehrsministerium überholt. Ein Grund für eine persönliche Bilanz von mir.
Vorweg – Grundsätzlich sollte überdacht werden, wie ministeriale Bundesämter eigentlich vergeben werden. Letztlich ist es mehr als unverständlich, dass ein Bankwirt finanzwirtschaftliche Vorkenntnisse haben muss, ein Finanzminister jedoch nicht. Selbiges gilt für das Gesundheitsministerium. Wir haben gesehen, dass Jens Spahn schlicht die statistische sowie medizinische Fachkompetenz zur Lageeinschätzung fehlt. So konnte Karl Lauterbach letztlich durch größere Fachkompetenz, substantielle eigenhändig durchgeführte Modellierungen und Faktenanalysen glänzen und wir müssen uns fragen, auf welcher Grundlage entsprechende Ämter eigentlich zukünftig vergeben werden sollten.
Auch möchte ich betonen, dass in einer neuartigen Pandemie auf Basis von kurzfristigen Entscheidungen Fehler vorhersehbar sind und ein Großteil unverhältnismäßiger Weise dem Bundesgesundheitsministerium angelastet wird. Dennoch muss ein entsprechendes Gesundheitsamt substantiell ausgefüllt werden. Und hier kommen die individuellen Fehler von Jens Spahn zu Tage.
Keine frühzeitigen Impfstoff-Bestellungen
Der Vorwurf wiegt schwer. Deutschland entwickelt mit BioNTech einen Impfstoff, doch dieser ist zunächst nicht verfügbar. Zunächst einmal sichert sich der US-Konzern Pfizer die initialen Produktions- und Distributionsrechte. Verständlich, basiert die deutsche Wirtschaft doch auf einer freien Marktwirtschaft. Ein US-Konzern kann dabei einfach größere Geldreserven freilegen. Dennoch ist zu erwähnen, dass die US-Regierung zu diesem Zeitpunkt auch Budget-technisch bereits deutlich involviert war, Deutschland jedoch nicht. Die America-first-Mentalität funktionierte bei der Impfkampagne.
Die eigentliche Krux setzte ein, als zu wenig europäische Impfstoff-Bestellungen ausgelöst wurden. Auch hier ist eine substantielle Betrachtung notwendig. So kann es verständlich sein, dass Europa, in Form der EU-Kommission, als Einheit agiert und keine Länder durch souveräne Einzelbestellungen benachteiligt werden, insbesondere wenn zu wenig Impfstoff verfügbar ist. Doch es war Impfstoff verfügbar! Wie BioNTech unlängst bestätigte, wurden weitere Bestellungen schlichtweg nicht von Europa ausgelöst. Einzelne Sonderbestellungen von Ländern wie Deutschland wären also selbstverständlich zusätzlich möglich gewesen. Dies hätte die deutsche Corona-Situation vermutlich schneller Entschärft und tausende von Menschenleben gerettet. Nun ist fraglich, inwieweit Spahn hier die Verantwortung trägt. Es wird evident, dass sich Spahn schlicht nicht von Merkels kollektivem Europa-Kurs bei der Impfstoffbestellung durchsetzen konnte und seine Positionierung als autonomer Gesundheitsminister mit deutschen Interessen zu diesem Zeitpunkt nicht stark genug war. Auch muss bedacht werden, dass der Erfolg der Ersten Impfstoffe zu dieser Zeit noch nicht bekannt war.
Masken für den Mülleimer
In der zweiten Corona-Welle, im letzten Jahr, saßen zahlreiche Mittelständler auf unbezahlten Rechnungen zur Lieferung von Corona-Schutzmasken. Der Streitwert soll sich auf rund 380 Millionen Euro belaufen. Rund 60 Klageverfahren laufen dazu gegen das Gesundheitsministerium.
Impfkampagne
Die deutsche Impfkampagne startete am 27. Dezember 2020 und ging mehr als schleppend voran. Erst im späten Frühjahr 2021 legte Deutschland den Impfturbo ein. Der Impfstoff von AstraZeneca kam stark in die Kritik und wurde – ohne Not – von der ständigen Impfkomission verurteilt. Spahn wirkte blass und konnte keinerlei Vertrauen aufbauen. Rund zwei Millionen Impfdosen blieben ungenutzt.
Schnelltest-Verbrechen wurde nicht eingehalten
Es sollten die kostenlosen Schnelltests für alle ab dem 1. März 2021 kommen – angekündigt von Spahn via Twitter. Doch sowohl Merkel, als auch Scholz und Braun machten Spahn einen Strich durch die Rechnung.
Flopp der Corona-App
Die App kostete laut Hochrechnungen rund 70 Millionen Euro und sie fand weitreichende Verbreitung, wurde auf mehr als 23 Millionen deutschen Smartphones installiert. Doch sie wird kaum genutzt! Nicht einmal 15% der Neuinfektionen werden über die App verbreitet. Rund 60% sollen notwendig sein, damit die App einen relevanten Beitrag leisten kann.
Spahn nimmt an Feier teil, mahnt aber zur Vorsicht
Am 21. Oktober 2020 wurde Spahn selbst positiv auf das Coronavirus getestet. Einen Tag zuvor hatte der Gesundheitsminister an einem Abendessen mit zahlreichen Unternehmensvertretern in Leipzig teilgenommen. Die Feier fand in einer privaten Wohnung statt. Noch am Morgen hatte Spahn im ZDF zur Vorsicht gewarnt! „Wir wissen vor allem, wo es die Hauptansteckungspunkte gibt. Nämlich beim Feiern, beim Geselligsein, zu Hause privat oder eben in der Veranstaltung, auf der Party im Klub.“
Mangelnde Kontrolle der Schnelltestzentren
Eine Verordnung des Gesundheitsministeriums zur Anmeldung von Schnelltestzentren ist die Ursache für betrügerische Abrechnungsgeschäfte. Davon betroffen ist auch Wuppertal, denn hier betreibt der stark in die Kritik gekommende Anbieter MediCan zwei Testzentren, eines davon sogar illegal. Bei der Übermittlung der Corona-Testzahlen soll großflächig betrogen worden sein:
- So zocken Testzentren Millionenbeträge ab
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- Platzverbot: Hellweg Wuppertal schmeißt MediCan raus
Spahn möchte Schrott-Masken an Obdachlose, Behinderte und Hartz-IV-ler verschenken
Zunächst bestellte Spahn überteuerte Masken für rund 1 Milliarde Euro, dann sollen diese verschenkt werden. Grund: Die Masken durchliefen den FFP2-Standard nicht erfolgreich. Doch verschenkt werden sollen sie an Obdachlose, Behinderte und Hartz-IV-Empfänger, was den Anschein einer Zwei-Klassen-Medizin erweckt. Der Koalitionspartner SPD blockierte und fordert zurzeit den Rücktritt des Ministers.
Die Liste könnte fortgesetzt werden. Ich beschränke mich hier auf Corona-relevante Themenschwerpunkte. Auf die unfaire Videoschalte bei der Wahl des CDU-Fraktionsvorsitzenden Armin Laschet und den Kredit von Spahns Hausbank bei der Eigenheimfinanzierung möchte ich hier nicht eingehen.
Jens, das war nichts!
Euer Gregor Samsa