Im März 2022 bekam das Westfälische Landestheater ein Flucht-Tagebuch der Ukrainerin Olesia Iavorska, die mit ihren zwei Kindern gerade ihr Land verlassen hatte, in die Hände. Kurzfristig entschlossen sich das Theater und Dramaturg Christian Scholze, dieses Tagebuch als Zwei-Personen-Stück zu bearbeiten und zu inszenieren.
Charkiw, zweitgrößte Stadt der Ukraine, liegt im Nordosten des Landes, knapp 40 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. In der Nähe lebt Iavorska mit ihrem Mann und den drei und acht Jahre alten Kindern, bei Kriegausbruch bleibt die Familie zunächst dort. „Am ersten Tag glaubte ich noch an ein Missverständnis. Ein Albtraum, aus dem wir morgen erwachen. Am zweiten Tag dachte ich schon, dass sie uns töten werden. Es war schlimm, in der Mitte der Ereignisse zu sein, ohne zu wissen, was passiert oder wer kommt. Man wird bombardiert und erfährt nichts“, berichtet Olesia Iavorska.
Nach zehn Tagen ist die Lebensgefahr so groß, dass sie mit ihren Kindern quer durchs Land flieht, ihren Mann muss sie zurücklassen. Die Kriegstage in Charkiw und die Tage der Flucht hat Olesia Iavorska in ihrem Tagebuch dokumentiert. Offizielle Nachrichten, Aufenthalte im Schutzkeller, angstvolles Lauschen auf Bomben, die Sorge um die Kinder, das Gefühl von Hilflosigkeit sowie Chatverläufe mit Freunden in der Ukraine und in Russland, Erlebnisse mit anderen Menschen – ihre Erfahrungen und Gedanken verdichtet Olesia Iavorska zu berührenden Texten, die auf der Bühne zu einer Mischung aus szenischer Lesung und Dokumentartheater werden.
„Ich freue mich über die Möglichkeit, dieses Theaterstück zu realisieren. Bei Nachrichten, die man im Fernsehen verfolgt, ist immer ein Bildschirm dazwischen, der eine Distanz zu den Bildern erzeugt. Das Theater bietet immer eine unmittelbare Nähe“, so Iavorska, die in Dresden geboren wurde und ihre Kindheit dort und in Russland verbrachte. Nach der Ausbildung als Übersetzerin und Deutschlehrerin studierte sie Medien und Kommunikation in Deutschland und der Ukraine. Zurzeit ist sie als Methodikerin und Narrative Game Designerin bei einem ukrainischen IT-Unternehmen tätig, für das sie Entwicklungsspiele für Kinder kreiert. Seit ihrer Ankunft in Deutschland gibt sie Sprachkurse für ukrainische Flüchtlinge.
30.01.2023, 10 bis 11.30 Uhr + eine halbe Stunde Nachgespräch im Anschluss, Eintritt 4 Euro
Anmeldungen für Schulklassen der Oberstufe: [email protected]