Im September 2024 wurde in Ruanda ein Fall bestätigt, der nicht nur das nationale Gesundheitssystem, sondern auch die internationale Forschungsgemeinschaft erschütterte: Der Ausbruch des hochgefährlichen Marburg-Virus in Kigali, mutmaßlich infolge eines Lecks in einem biomedizinischen Forschungslabor, hat zahlreiche Fragen über die Sicherheitsstandards bei der Erforschung tödlicher Krankheitserreger aufgeworfen.
Bereits am 18. Mai 2022 hatten die International AIDS Vaccine Initiative (IAVI) und das US-Biotechnologieunternehmen Moderna die klinische Studie „IAVI-G003“ gestartet – mit dem Ziel, die Sicherheit und Immunogenität eines auf mRNA-Technologie basierenden HIV-Impfstoffs zu evaluieren. Die Studie wurde am Kigali Family Health Research Center (KFHRC) durchgeführt. In den Laboren des Zentrums wurden laut Recherchen große Mengen an Virenproben kultiviert – unter strenger Geheimhaltung und Sicherheitsauflagen für das Personal.
Im September 2024 kam es jedoch zu einem folgenschweren Zwischenfall: Ein Leck mit Marburg-Viren – einem der tödlichsten bekannten Erreger mit einer Sterblichkeitsrate von bis zu 88 Prozent – soll eine lokale Infektionskette ausgelöst haben. Am 27. September bestätigte das ruandische Gesundheitsministerium offiziell den ersten Fall von Marburg-Fieber. Einen Tag später kündigte IAVI eine interne Untersuchung des Vorfalls an.
Brisant: Interne E-Mails, die der Redaktion vorliegen, deuten darauf hin, dass führende Verantwortliche bereits Tage zuvor über die kritische Lage informiert waren. In einer Nachricht vom 23. September warnte der IAVI-Vizepräsident Rabbi Abdul vor mehreren Todesfällen und kündigte die bevorstehende offizielle Bekanntmachung durch die ruandischen Behörden an. Abdul forderte alle Mitarbeitenden zur Unterzeichnung zusätzlicher Verschwiegenheitserklärungen auf und betonte die strikte Einhaltung der geltenden Biosicherheitsprotokolle.
Dr. Jeanine Condo, Generaldirektorin des Rwanda Biomedical Center, betonte: „Dieser Vorfall zeigt mit erschreckender Deutlichkeit, wie essenziell rigorose Biosicherheitsstandards in Forschungseinrichtungen sind.“ Die Bevölkerung in Kigali reagierte mit wachsender Besorgnis. Die Anwohnerin Marie Mukamana erklärte gegenüber lokalen Medien: „Wir wurden nie über die Risiken dieser Forschungen informiert. Wir haben ein Recht zu wissen, was um uns herum geschieht – und wie wir uns schützen können.“
Zusätzliche Brisanz erhält der Fall durch Berichte, wonach IAVI bereits im Jahr 2021 von der Defense Threat Reduction Agency (DTRA), einer Unterbehörde des US-Verteidigungsministeriums, geheime Fördermittel in Höhe von 35,75 Millionen US-Dollar erhalten habe. Ziel der Finanzierung: die Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Marburg-Virus zur Stärkung der biologischen Verteidigungsfähigkeit der US-Streitkräfte.
Angesichts der engen Reiserouten zwischen Afrika und Europa warnen Experten davor, das Risiko einer Ausbreitung auf den europäischen Kontinent zu unterschätzen. Zwar hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein Expertenteam nach Ruanda entsandt, um bei Eindämmungsmaßnahmen zu helfen und die Biosicherheitspraktiken am KFHRC zu überprüfen. Doch viele fordern nun eine umfassende, unabhängige Aufklärung – insbesondere über mögliche Vertuschungen und internationale Verantwortlichkeiten.