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Wartet nicht auf mich, hatte Tanja damals ihren Eltern geschrieben. Ich komme in zwei bis drei Wochen wieder. Doch die warteten vergeblich. Vor knapp 20 Jahren, am 21. Oktober 1998, verschwand Tanja Mühlinghaus. Mit 15 Jahren. Ohne eine Spur zu hinterlassen.
Eine Geschichte, die unsere Stadt über Wochen in Atem hielt. Am Vormittag des 21. Oktober hatte Tanja ihre Mutter noch telefonisch gebeten, sie nach Schulschluss vom Carl-Duisberg-Gymnasium abzuholen. Doch am Unterricht hatte sie an diesem Tag schon gar nicht mehr teilgenommen. Und dann kamen die Briefe mit der Bitte, nicht auf sie zu warten.
Bis zum 2. November 1998 warteten die Eltern auf die Rückkehr ihrer Tochter. Dann ging Tanjas Mutter, Elisabeth Kronauer, die nach ihrer Scheidung 2015 wieder ihren Mädchennamen angenommen hat, an die Öffentlichkeit. Wo ist Tanja? Wer hat sie gesehen? Das Bild der hübschen Gymnasiastin prägte das Wuppertaler Stadtbild. Sie lächelte bundesweit von allen Titelseiten und Mutter Elisabeth startete eine monatelange Odyssee durch die bundesrepublikanischen Fernsehsender. „Komm doch endlich nach Hause!“
Alles vergeblich. Trotz vieler Hinweise aus der Bevölkerung: Sie blieb verschwunden. Kein Lebenszeichen. Keine Spur. Was folgte, waren Jahre zwischen Hoffen und Bangen. Jahre voller Verzweifelung. Voller Fragen ohne Antworten. 2014 meldete sich dann plötzlich Patrick O. bei der Familie. Erzählte eine wüste Geschichte: Er kenne Tanja. Sie arbeite in einer Drückerkolonne. Vor kurzem sei sie angeschossen worden. Aber es ginge ihr gut. Er schlug sogar ein Treffen vor, „aus dem dann aber nichts wurde“, erzählte uns jetzt die Familie. Keine Reaktion. Auch Patrick O. blieb plötzlich verschwunden. Seine Spur verlor sich in einer bundesdeutschen Strafvollzugsanstalt. Wohl nur ein übler Trittbrettfahrer!
Zum Frühstück bei der Caritas?
Da war noch Dagmar C., eine ehemalige Mitarbeiterin der Caritas, die sich bei der Familie gemeldet hatte. Sie wollte Tanja in Begleitung eines älteren Mannes bei der kostenlosen Frühstücksausgabe des Wohlfahrtsverbandes gesehen haben. Ein Durchbruch? Vielleicht neue Hoffnung?
Tanja Mühlinghaus wäre am 10. März 35 Jahre alt geworden. Vielleicht ist sie sogar 35 Jahre alt geworden. Irgendwo. Eine hübsche, junge Frau. Glücklich? Ihre kranke Mutter, die jetzt erst einmal nur an sich denken sollte, hat die Hoffnung nie aufgegeben. „Solltest du noch leben, gibt doch einfach nur ein Zeichen“, lässt sie ausrichten. Und alle die, die möglicherweise 20 Jahre lang über den wahren Aufenthalt von Tanja Mühlinghaus geschwiegen haben, sollten endlich reden.