Deutschland befindet sich mitten im Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Während im Energiesektor schon große Erfolge erzielt werden konnten, steht die Transformation der Industrie noch am Anfang – nicht zuletzt wegen des herausfordernden Umfelds: Infrastrukturen müssen um- und aufgebaut werden, öffentliche Investitionen sind angesichts der angespannten Haushaltslage ungewiss und geopolitische Spannungen sowie Ankündigungen aus den USA zur Einführung oder Erhöhungen von Zöllen könnten dazu beitragen, dass der weltweite Handel künftig weiter eingeschränkt wird.
Die nun erschienene Agora-Studie „Klimaneutrales Deutschland – Von der Zielsetzung zur Umsetzung“ zeigt, wie die deutsche Industrie das Klimaschutzziel für 2030 erreichen kann und gleichzeitig Kurs auf eine klimapositive Produktion bis 2045 nimmt: „Wesentlich für das Gelingen einer industriellen Transformation ist Planungssicherheit und damit ein belastbares Zukunftsbild, das Orientierung bezüglich des notwendigen Wandels bietet – und ein klares Leitbild für Investitionen und politische Rahmenbedingungen,“ sagt Dr. Georg Holtz, Senior Researcher im Forschungsbereich Sektoren und Technologien am Wuppertal Institut, das an der Studie mitgewirkt hat.
In ihrem Studien-Szenario betrachten die Forschenden nicht nur die Produktionsprozesse in der Grundstoffindustrie, sondern die gesamten Wertschöpfungsketten und Materialflüsse sowie die Möglichkeiten, Stoffkreisläufe zu schließen, was sowohl einen Beitrag zum Klimaschutz als auch zur Versorgungssicherheit leistet.
Zentrale Erkenntnisse aus der Studie:
- Prozesswärmebereitstellung kann und sollte weitgehend elektrifiziert werden, insbesondere durch Einsatz von Wärmepumpen für niedrige Temperaturbereiche. Der Stromverbrauch würde sich zwar verdoppeln, aber zugleich sinke der Erdgasverbrauch bis 2040 auf nahezu Null.
- Biomasse sollte stofflich genutzt werden oder, zur Sicherung von Negativemissionen, in Kombination mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS). Für die Chemieindustrie bietet Biomasse als Kohlenstoffträger eine Alternative zu fossilen Rohstoffen.
- Kunststoffabfälle und Nebenprodukte aus Chemieparks können verstärkt recycelt werden und so ebenfalls fossile Rohstoffe ersetzen.
- Der Ausstieg aus der traditionellen Hochofen-Technologie in der Stahlindustrie könnte durch Umstellung auf Direktreduktionsanlagen bereits bis 2035 erreicht werden.
- Die Verwendung von CO2-intensivem Zementklinker kann gemäß der Studienergebnisse langfristig um über 40 Prozent reduziert werden.
- CCS leistet einen notwendigen Beitrag zur Klimaneutralität und sollte primär im Verbund mit technisch unvermeidbaren CO2-Strömen in der Zement- und Kalkindustrie sowie der Abfallwirtschaft zur Anwendung kommen.