Es ist eine Nacht, die alle, die sie erleben mussten, nie wieder vergessen werden. Der Angriff der britischen Bomberflotte auf Wuppertal im Jahr 1943. Der erste Großangriff, der auf Barmen, jährt sich am 30. Mai zum 75. Mal. Elberfeld folgte nur einen knappen Monat später, am 25. Juni.
„Fundamentale Katastrophe“
„Niemals zuvor in der Wuppertaler Geschichte hatte es einen derart abrupten Bruch in der Kontinuität, eine derart fundamentale Katastrophe gegeben.“ So bringt es der inzwischen verstorbene, frühere zweite Vorsitzende des Bergischen Geschichtsvereins, Hans Joachim de Bruyn-Ouboter, in seinem Buch zur Barmer Stadtgeschichte auf den Punkt: „In zwei furchtbaren Nächten wurden neben anderen Quartieren vor allem die Innenstädte von Barmen, Elberfeld und Ronsdorf sowie in Cronenberg das Rathaus und etliche Häuser zerstört.“
Nach vorsichtiger Schätzung kamen in Barmen Ende Mai 1943 3.380 Menschen ums Leben. Beim Elberfelder Angriff Ende Juni starben etwa 2000 Menschen – auch hier viele bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Hinzu kamen unzählige Verletzte und eine von Traumata geplagte Kriegsgeneration, die von diesen Nächten an in einer Stadt lebte, die innerhalb von Stunden ihr Gesicht verloren hatte – als Konsequenz der NS-Herrschaft und des von ihr entfachten Zweiten Weltkriegs.
Emissionen schützten das Tal zunächst
Dabei hatten sich die Menschen im Tal der Wupper zunächst sicher gefühlt. „Hier wohnt der Vater von Pastor Niemöller (führender Vertreter der Bekennenden Kirche und Widerstandskämpfer, Red.)“, lautete eine Parole, die manche Wuppertaler in Sicherheit wog. Fakt war indes: Das lang gezogene Wuppertal mit seiner an Emissionen reichen Industrie lag damals häufig unter einer Dunstglocke und ließ sich mit den damaligen Navigationsmöglichkeiten der Royal Air Force nur schwer genau anfliegen, um die Bombenlast treffsicher ins Ziel zu bringen.
Wolfgang Linge, im Frühjahr 1943 siebeneinhalb Jahre alt, erinnert sich: „Der 29. Mai war ein wunderschöner Tag. Meine Familie und ich hatten einen Ausflug nach Schloss Burg unternommen und ich die obligatorische Burger Brezel mit nach Hause genommen.“ Das Haus der Linges stand in Oberbarmen in der Sonnenstraße, oberhalb der Schwebebahn-Endhaltestelle. „Die Brezel hatte ich in unserem Wohnzimmer aufgehängt“, sagt Linge und fährt fort: „Mitten in der Nacht kam der Luftalarm, dann ging alles sehr schnell. Wir gingen in den Keller, und wenig später ging das Inferno los.“ Doch das Haus der Linges blieb unbeschädigt, aber Wolfgang Linge erinnert sich noch genau, dass die Brezel Schaden genommen hatte. Sie war auf den Boden gefallen.
Historische Bausubstanz zerstört
„Vom Klingholzberg, wo wir wohnten, sah ich ganz Barmen brennen, in den nächsten Tagen und selbst Jahre nach Kriegsende war der geschmolzene Asphalt zu sehen. Das war wohl der erste Angriff mit Phosphorbomben“, so Linge weiter. „Glück hatten meine Großeltern und die Tante, die unweit an der Straße Schwarzbach 136 wohnten. Das Hinterhaus war zwar zerbombt, doch das Vorderhaus, wo sie lebten, stand einigermaßen unbeschädigt. Trotzdem zogen sie mit zu uns, denn es war befürchtet worden, dass sich im Kamin noch eine nicht gezündete Brandbombe befinden würde. Da wurde es ganz schön eng bei uns.“
Am nächsten Tag sah er dann das ganze Ausmaß der Zerstörung. Ob er damals Angst gehabt habe? „Nein“, sagt Linge, „als Kind hatte ich keine Angst, aber die Alarmsirenen lassen heute noch einen kalten Schauer über meinen Rücken laufen.“ Die historische Bausubstanz in Barmen wurde bis auf wenige Ausnahmen zerstört oder so schwer beschädigt, dass viele sehenswerte Gebäude der Gründerzeit abgerissen werden mussten. Zum Opfer fielen kulturhistorisch bedeutende Gebäude wie beispielsweise die Barmer Stadthalle und das weltweit zweite Planetarium, aber auch Hunderte der alten Bürgerhäuser. Weitere Luftangriffe am 11. November 1944 und im März 1945 sorgten für zusätzliche Zerstörungen.