Ein Kommentar von Manfred Alberti
Wenn der Rat Ende April ein Vorkaufsrecht für Grundstücke und Häuser an der Vogelsaue beschließt, dann schützt er die Stadt, um Wucherpreise bei dem Kauf der für die Seilhängebrücke benötigten Grundstücke verhindern zu können. Ob das allerdings notwendig ist?
Dem Bau der Brücke stehen so gewaltige Hindernisse im Weg, dass selbst das von der Stadt 2023 eingeholte Rechtsgutachten zwischen den Zeilen sehr pessimistisch ist. Denn das Grundgesetz schützt mit Art. 13 die Privatsphäre gegen das Einsehen in die Wohnung aus einer Seilbahn wie von einer Brücke aus. Öffentliche Verkehrsbrücken genießen dabei Sonderrechte, doch diese private Hängeseilbrücke ist eine verkehrliche nicht notwendige Brücke, sondern dient alleine Stadt und Investor als lukratives Geschäftsmodell.
Ob die Brücke überhaupt erfolgreich ist? Da die Kaiserhöhe zu allen Seiten stark abfällt, ist man am Ende der Kaiserhöhe fast auf dem Niveau der Nordbahntrasse, also kaum höher als die Talsohle. Da kann man auch bequem kostenlos die Sambatrasse hinunterfahren, ohne sein Fahrrad gegen Bezahlung eine Viertelstunde über die Brücke schieben zu müssen.
Das größte Problem für den Bau dieser Brücke dürfte sich allerdings hinter einem kurzen Hinweis im Rechtsgutachten verbergen, dass die Firma BAYER auf jeden Fall ein Einspruchsrecht gegen die Brücke besitzt. Das bedeutet: Wenn 400 Meter neben der Brücke das Chemiewerk BAYER beginnt und einige Meter weiter Chemikalien von Bahnwaggons in das interne Leitungsnetz umgeladen werden, dann kann ein Unfall durch menschliches oder technisches Versagen nie ausgeschlossen werden. Das Risiko für Leib und Leben von bis zu tausend Besuchern auf der nahen Brücke ist unkalkulierbar. Welcher Vorstandsvorsitzende von BAYER könnte ein solches Risiko von mehreren zig oder hundert Millionen € Schadensersatz bei einem Unfall freiwillig eingehen, zumal BAYER keinen noch so kleinen Vorteil von dieser Brücke hätte. Die Hängeseilbrücke dürfte gegen den Willen und die Interessen von BAYER juristisch nicht genehmigt werden.
Aber dieser Beschluss im Stadtrat lässt noch an eine andere fast absurde Situation denken: Oberbürgermeister Prof. Dr. Schneidewind hat vor Jahren anerkannte Fachbücher zum Thema „Nachhaltigkeit“ geschrieben. Soweit die Theorie. Und nun kämpft er für den Bau von zwei weiteren Brücken an der BUGA in Vohwinkel, die nach der BUGA direkt wieder abgerissen werden, weil sie ohne BUGA keinen Sinn mehr erfüllen. Eine breite Brücke soll über die acht Bahngleise in Höhe des alten Lokschuppens führen, damit um die Mittagszeit stündlich mehrere tausend Besucher zum Wechsel der BUGA-Areale zur Schwebebahnstation Bruch gehen können. Ein massives Bauwerk für 180 Tage, zumal Auf- und Abstiege behindertengerecht nur mit maximal sechs Prozent Steigung gebaut werden dürfen: bei 12 Meter Brückenhöhe werden dazu auf jeder Seite der Bahn 200 Meter Zugänge zur Brücke benötigt. Auch die zweite Brücke über die Nordbahntrasse zur Verbindung der eintrittspflichtigen Bereiche wird nach der BUGA als völlig überflüssig wieder abgerissen.
Entspricht diese Verschwendung von Arbeitskraft für Planungen und Bau, von Materialien und von Finanzen in Höhe mehrerer Millionen € wirklich der Theorie von Nachhaltigkeit oder spielt die Nachhaltigkeit in der Praxis als Oberbürgermeister keine Rolle mehr?
Hinzu kommt ein weiterer für Wuppertals Image sehr ärgerlicher Aspekt. Es fehlen landesweit Planer für Brücken und sachverständige Baufirmen. Und der Bedarf ist riesig: Nicht nur die Brücke Kirchhofstraße wartet seit Jahren auf den Neubau, andere Brücken in Wuppertal sind ebenfalls sehr marode, am Sonnborner Kreuz sollen bis 2031 13 Brücken neu gebaut werden, mehrere Rheinbrücken müssen dringend ersetzt werden und nicht nur die Sauerlandlinie A 45 wird bald auf Jahrzehnte stillstehen, wenn nicht massiv in neue Brücken investiert wird.
Und Wuppertal holt sich Brückenplaner und zahlt vermutlich Mondpreise an umworbene Baufirmen, um bis zur BUGA 31 eine Hängeseilbrücke als rein kommerziell genutzte Spaßbrücke und zwei nur für die BUGA wichtige Brücken zu bauen, die dann wieder abgerissen werden? Und das für eine BUGA, die sich einmal das Siegel „Nachhaltigkeit“ auf die Fahnen geschrieben hatte! Und dass im Rahmen von Circular Valley die Brücken als Anschauungsobjekte für Neubau und Recycling innerhalb von zwei Jahren dienen sollten, wäre eine Verhöhnung aller dringend nötigen ernsthaften Bemühungen um Nachhaltigkeit.
Was werden die Lüdenscheider denken, die wegen der abgerissenen maroden Brücke der A 45 jahrelang unerträglichen Umleitungsverkehr in ihrer Stadt dulden müssen? Wuppertal kauft sich für drei BUGA- Brücken die begehrten Fachleute und Baufirmen zusammen, weil bis 2031 alles fertig sein muss. Wie egoistisch und gedankenlos kann eine Großstadt bloß sein? Das Image von Wuppertal wird durch solchen Egoismus so beschädigt, dass das die beste BUGA nicht reparieren kann.
Wie lautet ein Grundgesetz der Recycling-Philosphie? „Vermeiden statt recyceln. Was erst gar nicht gebaut wird, muss nachher nicht recycelt werden.“
Manfred Alberti
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