Ein Jahr ist Uwe Schneidewind als Wuppertaler Oberbürgermeister im Amt. Er selbst zieht eine positive Zwischenbilanz und nennt diesen Dreiklang: „Rhythmus gefunden, Zwischenziele erreicht, Wegstrecke im Blick.“ Die Ratsfraktionen von SPD und FDP kontern: „Laues Lüftchen statt Schneidewind“ lautet ihre Einschätzung der ersten 365 Tage des Stadtchefs. Für sie ist es eine ernüchternde Bilanz.
„Weder zur Stadt, den Wuppertalerinnen und Wuppertalern, noch zur Politik, ist es Schneidewind innerhalb des letzten Jahres gelungen, eine wirkliche Verbindung aufzubauen“, kritisieren die beiden Fraktionsvorsitzenden Klaus Jürgen Reese (SPD) und Alexander Schmidt (FDP). Die Kritik: Schneidewinds Zukunftspapier sei bislang eine bloße Absichtserklärung ohne Substanz. Die vielen „Runden Tische“, die er initiieren wollte, kamen entweder nicht zustande oder die Ergebnisse bleiben im Unklaren. Das gemeinsame Fazit von SPD und FDP nach einem Jahr: Verbinden (wie im Wahlkampf versprochen) scheine dem grünen Stadtoberhaupt nicht zu liegen.
„Er schafft Fakten unter Umgehung der eigentlich zuständigen politischen Gremien.“
Klaus Jürgen Reese, Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion
„Schneidewind pflegt einen bislang in Wuppertal nicht gekannten Führungsstil. Er schafft Fakten unter Umgehung der eigentlich zuständigen politischen Gremien“, bemängelt Reese. „Er entzieht sich dadurch vieler notwendiger Gespräche im politischen Raum, organisiert keine Mehrheiten für seine Ideen und schafft auch keinen Konsens. Stattdessen präsentiert er ihm genehme Ergebnisse in den Medien, wie zuletzt bei der BHC-Arena.“ Er nähme dabei bewusst Unmut in Kauf, wie zuletzt im Finanzausschuss geäußert, weil ihm das Vertrauen des BHC wichtiger sei, als das der Ratsgremien. Das, so Reese weiter, habe nichts mehr mit dem Anspruch zu tun, den er im Wahlkampf formuliert habe.
SPD und FDP sind sich einig: Auch ein Jahr nach der Amtsübernahme hadert Uwe Schneidewind immer noch mit seiner Rolle als Oberbürgermeister. Theoretische Lösungen für die unterschiedlichsten Problemstellungen werden zwar kommuniziert, politisch Konkretes findet aber keinen Weg in die Umsetzung. Auch Einladungen kommt der Verwaltungschef nicht nach und glänzt vielerorts mit Abwesenheit.
„Die Veranstaltungen finden trotz Corona statt – nur halt ohne ihn.
Alexander Schmidt, FDP-Fraktionsvorsitzender
„Ein Oberbürgermeister, der bei der Wahrnehmung von Terminen die Prioritäten zugunsten des eigenen grünen Milieus setzt, ist für die meisten Bürger nicht ansprechbar und zollt auch dem vielfältigen bürgerschaftlichen Engagement in Vereinen und Organisationen innerhalb Wuppertals keinen Respekt“, kritisiert Alexander Schmidt. „Es hilft dabei auch nicht weiter, auf Corona zu verweisen, wie Schneidewind es bei Radio Wuppertal getan hat. Die Veranstaltungen finden trotz Corona statt – nur halt ohne ihn, wie das diesjährige jüdische Neujahrsfest.“
Schneidewind habe nach Ansicht von SPD und FDP innerhalb kürzester Zeit unnötig viel Porzellan zerschlagen. Mit der Verleihung des Nachbarschaftspreises an eine antisemitische Vereinigung habe er sogar überregional für negative Schlagzeilen gesorgt.
Bemerkenswerte Negativleistung
Klaus Jürgen Reese: „Diesen offenkundigen Fehler anschließend auch noch zu verteidigen, ist für jemanden, der das Erbe von Ursula Kraus, Hans Kremendahl, Peter Jung und Andreas Mucke angetreten hat, eine bemerkenswerte Negativleistung und im höchsten Maße unsensibel. Ein Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt muss sich zu jeder Zeit unzweifelhaft zur jüdischen Kultur bekennen und diese vor Angriffen schützen.“
Auch das Wirken innerhalb des Rathauses wird kritisch eingeschätzt. Während andere Oberbürgermeister regelmäßige Jour fixe-Termine mit allen relevanten demokratischen Kräften durchgeführt haben, um das Tagesgeschäft zu besprechen, hat Schneidewind solche Gespräche weitestgehend eingestellt.
„Wie Politik und Verwaltung funktionieren, interessiert ihn offenbar nicht so sehr.“
Klaus Jürgen Reese
„Schneidewind kommuniziert vielleicht mit seiner grünen Zielgruppe, schreibt Essays und Gastbeiträge, wie er es als Wissenschaftler des Wuppertal Institutes auch schon gemacht hat, aber wie Politik und Verwaltung funktionieren, interessiert ihn offenbar nicht so sehr“, bemängelt Reese.
Dass ein Oberbürgermeister inhaltlich Schwerpunkte setzt, bleibt dabei unbestritten. Als schwierig erachten es SPD und FDP aber, wenn Bauanträge von Privatpersonen und Gewerbetreibenden eineinhalb Jahre und länger dauern, die Herzensthemen des Oberbürgermeisters jedoch, wie die Verkehrsberuhigung des Laurentiusplatzes, priorisiert und in wenigen Wochen umgesetzt werden.
„Der Oberbürgermeister lässt ausgesprochen viel Potenzial liegen.“
Alexander Schmidt
„Wenn beim Bürger der Eindruck entsteht, dass seine Belange keine Priorität haben, die grüne Agenda von Schneidewind hingegen schon, dann gerät etwas in Schieflage“, so Alexander Schmidt. „Verschärft wird diese durch wiederkehrende finanzielle Herausforderungen der Stadt. Umso wichtiger ist da eine gute Vernetzung mit den Wuppertaler Mandatsträgern im Düsseldorfer Landtag oder Bundestag. Bei den hierfür notwendigen Kontakten zu den Entscheidungsträgern in Sachen Fördertöpfen lässt der Oberbürgermeister ausgesprochen viel Potenzial liegen.“ Die von Schneidewind praktizierten gelegentlichen Telefonate seien nicht geeignet, den Draht zu den Entscheidern vor Ort zu verkürzen. Lediglich alle paar Monate zum Telefonhörer zu greifen, schaffe keine vertrauensvolle Arbeitsatmosphäre und stelle keine Grundlage politischer Zusammenarbeit dar, erläutert der FDP-Fraktionschef.
Theoretische Programme und die mantraartige Wiederholung einer Notwendigkeit zur Transformation – Kommunalpolitik und das Führen einer großen Verwaltung, sind deutlich mehr, wissen die erfahrenen Kommunalpolitiker Reese und Schmidt. Derzeit ‚transformiere‘ in Wuppertal jedenfalls nichts zum Besseren. Es wäre wünschenswert, wenn Schneidewind das ganz nüchtern realisiere, ein Klima für eine konstruktive und verbindliche Politik zum Wohle Wuppertals zu organisieren. Hierfür, stellen Reese und Schmidt fest, solle Uwe Schneidewind die Voraussetzungen auch in der Verwaltung schaffen – das würde dann tatsächlich verbinden und nicht spalten.