In vulkanreichen Island wird ganz überwiegend Erdwärme (Geothermie) als Energiequelle genutzt. 65 Prozent der Primärenergie stammen aus dem Untergrund. Jetzt wollen die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie (IEG) und die Wuppertaler Stadtwerke (WSW) gemeinsam das Potenzial von Geothermie für die Wärmeversorgung in Wuppertal untersuchen. Im Frühjahr 2023 sollen Ergebnisse einer entsprechenden Machbarkeitsanalyse vorliegen.
„Die Energiewende beinhaltet auch eine Wärmewende – für urbane Regionen braucht es insbesondere im Bestand seriöse und umsetzbare Lösungen“, fordert der WSW-Vorstandsvorsitzende Markus Hilkenbach. Sein Unternehmen hat sich im letzten Jahr Klimaneutralität bis 2035 und die Dekarbonisierung von Energieerzeugung und ÖPNV in Wuppertal als strategische Ziele gesetzt.
Klassisches WSW-Geschäftsmodell auf dem Prüfstand
Die WSW wollen Wegbereiter für eine nachhaltige Versorgung und Mobilität sein. „Das bedeutet, dass wir uns als Unternehmen verändern müssen“, macht Hilkenbach deutlich, „und zwar in manchen Bereichen grundlegend.“ Vor dem Hintergrund der Energie- und Verkehrswende steht das klassische Geschäftsmodell der Stadtwerke auf dem Prüfstand. Die Phase der Strategiekonzepte und Maßnahmenplanung ist so gut wie abgeschlossen, und erste Umsetzungsprojekte haben bereits begonnen. „In den nächsten Wochen und Monaten werden wir mit weiteren Projekten starten und zudem neue Produkte bezieheungsweise Services vorstellen“, kündigt der WSW-Chef an. Die Dekarbonisierungsstrategie bildet in diesem Kontext auch den Rahmen für das laufende Geothermie-Projekt.
„NRW mit seiner starken Tradition als Energie-, Industrie- und Bergbaustandort hat alles, um die Herausforderungen der Wärmewende zu meistern“, ist sich Gregor Bussmann, Projektleiter am Fraunhofer IEG, sicher. „Die Geothermie kann in NRW über 70 Prozent des kommunalen Wärmebedarfes decken. Ich freue mich, dass die WSW mit der Machbarkeitsanalyse den ersten Schritt machen, um ihre Kunden nachhaltig, bezahlbar und versorgungssicher mit geothermaler Wärme zu versorgen. Gemeinsam gestalten wir die klimaneutralen Energiesysteme der Zukunft.“
Erdwärme als zweite CO2-neutrale Wärmequelle
Bereits 2019 haben die WSW in Wuppertal ein Kohlekraftwerk stillgelegt und produzieren seitdem einen Großteil der Fernwärme klimafreundlich in Kraft-Wärme-Kopplung mit Abwärme aus der Müllverbrennung. Fernwärme ist bisher das wichtigste Medium bei der Dekarbonisierung der Wärmeproduktion in unserer Stadt. In den nächsten Jahren könnte Erdwärme als zweite CO2-neutrale Wärmequelle hinzukommen.
Als kommunaler Energieversorger nehmen die WSW ihre Verantwortung in diesem Bereich sehr ernst: „Ziel muss es sein, den Wuppertaler Bürgerinnen und Bürgern zukünftig standardmäßig CO2-freie Wärme zur Verfügung stellen“, so der WSW-Chef. Dazu könnte Wärme aus Geothermie einen erheblichen Beitrag leisten. Noch ist es aber nicht so weit.
Wärmequellen in bis zu 5.000 Metern Tiefe untersuchen
Das Potenzial möglicher Wärmequellen in bis zu 5.000 Metern Tiefe werden die WSW nun gemeinsam mit dem Fraunhofer IEG genauer untersuchen. „Bei der sogenannten hydrothermalen Geothermie wird über Bohrungen heißes Tiefenwasser an die Oberfläche gepumpt. Dem Wasser wird die Wärme entzogen, dann wird es abgekühlt wieder in den Untergrund zurückgepumpt“, erklärt Dominik Pröpper, Leiter Energieerzeugung der WSW, eine Technologie, die zur Anwendung kommen könnte.
Für die Potenzialanalyse, die jetzt durchgeführt wird, muss aber noch nicht gebohrt werden. Dabei geht es erstmal nur um die Erhebung von vorhandenen geologischen Daten und die Erstellung von Modellen des Untergrundes. Untersucht wird außerdem, wie die Erdwärme in Wuppertal überhaupt mit Leitungsnetzen verteilt und von welchen Verbrauchern sie genutzt werden könnte. Dabei spielen ökologische, technologische, infrastrukturelle und auch finanzielle Aspekte eine Rolle. „Eine Nutzung von Geothermie im großen Maßstab ist auf jeden Fall mit hohen Investitionen verbunden“, sagt Markus Hilkenbach. Dies sei mit ein Grund, warum Erdwärme bisher nur eine untergeordnete Rolle auf dem Wärmemarkt spiele. Nach Einschätzung der WSW wird das aber nicht so bleiben.