Restnutzungsdauer-Gutachten zur Verkürzung der AfA

Strategien zur schnelleren Abschreibung von Bestandsgebäuden. Bild: Pexels, Pixabay

Wie private Vermieter die Rendite von älteren Bestandimmobilien deutlich heben

Die Restnutzungsdauer, die das Finanzamt für eine Immobilie veranschlagt, ist selten realistisch. Vermieter, die ein Bestandsgebäude deutlich schneller abschreiben möchten, können mit einem Restnutzungsdauer-Gutachten oder Bausubstanz-Gutachten kräftig Steuern sparen. Wie das funktioniert und wie auch der Bundesfinanzhof den Vermietern in die Karten spielt, beschreibt Immobilienprofi und Gastautor André Heid.

Zwischen den Zielen und Wünschen von steuerzahlenden Bürgerinnen und Bürgern auf der einen und der Realität der Finanzbehörden auf der anderen Seite liegen gerade im Fall von Immobilieninvestments oft drei entscheidende Buchstaben: AfA. Das steht für „Absetzung für Abnutzung“ und beschreibt den Wertverfall von Immobilien im Laufe der Zeit, der steuermindernd wirkt und eine Art fiskalischer Gegenleistung dafür darstellt, dass eines Tages wieder kräftig in die Modernisierung einer Wohnung, eines Hauses oder eines Mehrparteienhauses investiert werden muss.

AfA: Welche Verkürzungsmöglichkeiten es gibt

Doch Streit entbrennt in der Praxis immer wieder an der Frage, wie groß die jährliche Abschreibung sein darf und wie schnell die Immobilie abgeschrieben werden darf. Die Gesamtnutzungsdauer von Gebäuden wird in der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) und in der Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV) festgelegt. Die Restnutzungsdauer eines Gebäudes oder seiner Ausstattung kann jedoch erheblich verkürzt werden. Mit einem Wertgutachten kann eine kürzereNutzungsdauer für ein Gebäude gegenüber dem Finanzamt nachgewiesen werden. Hauptkriterien für eine geringere Lebensdauer und damit die Möglichkeit einer deutlich verkürzten AfA sind eine wirtschaftliche Entwertung, rechtliche Nutzungsbeschränkungen sowie technischer Verschleiß. Der Nachweis erfolgt durch ein Gutachten eines zertifizierten Sachverständigen. Solche Gutachten, die genau diesen Zweck verfolgen, tragen üblicherweise Namen wie Bausubstanz-Gutachten, Nutzungsdauer-Gutachtenoder Restnutzungsdauer-Gutachten. Der Bundesfinanzhof hat höchstrichterlich entschieden, dass hierfür kein umfassendes Verkehrswertgutachten mehr nötig ist. Im Gegenteil: Das Verkehrswertgutachten ist im Normalfall nicht dazu geeignet, eine geringere Restnutzungsdauer nachzuweisen.

Mit Immobilienprofis schneller zum „Ja-Wort“ des Finanzamts

Selbstverständlich können Steuerzahler auch auf eigene Faust versuchen, den jeweiligen Finanzbeamten von einer kürzeren Restnutzungsdauer einer Immobilie zu überzeugen. Die Praxis zeigt jedoch, dass das ohne Profi an der Seite selten gelingt. Reicht der Steuerpflichtige allerdings ein Restnutzungsdauer-Gutachten eines öffentlich bestellten Sachverständigen ein, der die Immobilie besichtigt hat und eine angemessene Nutzungsdauer-Verkürzung nachweist, wird es für den Finanzbeamten sehr schwer, die niedriger angesetzte Restnutzungsdauer abzuerkennen.

„Ein eingereichtes Restnutzungsdauer-Gutachten, das eine verkürzte Nutzungsdauer nachweist, macht es dem Finanzbeamten schwer, dies abzulehnen.“ © André Heid, Heid Immobilienbewertung GmbH

Damit die AfA verkürzt werden kann, muss das Gebäude bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Das Bundesfinanzministerium erklärt in einem Schreiben an die Finanzbehörden der Länder vom 22. Februar 2023 genau, welche Rechtfertigungsgründe für eine verkürzte AfA gelten und wie diese nachzuweisen sind. Basis des Schreibens ist ein wegweisendes Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Sommer 2021, das den Restnutzungsdauer-Gutachten faktisch den Markt eröffnete.

Immobilien, die zu einem Betriebsvermögen gehören und nicht zu Wohnzwecken dienen, müssen eine wirtschaftliche Restnutzungsdauer von weniger als 25 Jahren aufweisen, wenn der Bauantrag zwischen dem 1. April 1985 und dem 31. Dezember 2000 gestellt wurde. Bei neueren Gebäuden in Firmeneigentum gilt es, eine Restnutzungsdauer von 33,33 Jahren zu unterschreiten.

Bei Immobilien, die diese Kriterien nicht erfüllen – also hauptsächlich Wohngebäude in Privateigentum –, gelten folgende Maßstäbe:

  • Wurde das Haus vor dem Jahr 1925 fertiggestellt, muss die Restnutzungsdauer weniger als 40 Jahre betragen, um eine AfA-Verkürzung zu beantragen.
  • Für Häuser, die zwischen 1925 und 2022 errichtet wurden, muss die Restnutzungsdauer 50 Jahre unterschreiten.
  • Für Immobilien, die ab 2023 fertig gebaut wurden, lohnt sich der Versuch einer AfA-Verkürzung nur bei einer Restnutzungsdauer von unter 33,33 Jahren.

Welche Faktoren führen nun konkret zur Verkürzung der Restnutzungsdauer? Laut höchstrichterlicher Rechtsprechung sind das technischer Verschleiß, der das Tragwerk des Gebäudes beeinträchtigt, die wirtschaftliche Entwertung und rechtliche Nutzungsbeschränkungen.

Wirtschaftlich ist die Nutzung einer Immobilie nur, wenn die Erträge die Kosten übersteigen. Vor dem Hintergrund der Klima- und Energiewende wird auch folgender Aspekt mit Blick auf die Restnutzungsdauer immer relevanter: Aufgrund der wachsenden rechtlichen Anforderungen an die zulässige Nutzung von Gebäuden scheint die Beurteilung perspektivisch zu erwartender Investitionen in eine energetische Sanierung im Vergleich zur Ertragsfähigkeit sinnvoll.

Eine verkürzte Restnutzungsdauer gilt nicht nur für Gebäude, sondern ebenso für Teile davon, die als selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter und Gebäudeteile zu betrachten sind. Das betrifft also Einbauten in Läden, Freizeitimmobilien wie Gaststätten, Clubs oder Escape Rooms, die im Abstand von wenigen Jahren komplett neu konzipiert werden. Allerdings steht die Möglichkeit der AfA-Verkürzung hierfür nur zur Verfügung, wenn es sich nicht um Betriebsvorrichtungen oder Scheinbestandteile handelt. Sobald Einbauten wesentlich für die Statik sind, kann die Abschreibedauer ebenfalls nicht verkürzt werden.

Wichtig zu wissen: Viele Finanzämter akzeptieren Restnutzungsdauer-Gutachten nur, wenn der Sachverständige das zu bewertende Grundstück wirklich besichtigt hat. Darüber hinaus ist eine Beschreibung der Bausubstanz zwingend erforderlich. Um Auseinandersetzungen mit dem Finanzamt vorzubeugen, sollte der Sachverständige auf die Bewertungsgrundlagen anerkannter Verkehrswertermittlung zurückgreifen.

Folgendes Rechenbeispiel zeigt, wie sich eine verkürzte Restnutzungsdauer einer Immobilie für Sie auszahlt:

Nehmen wir an, Sie sind Eigentümer eines Escape Rooms – derzeit sind diese Freizeitimmobilien sehr angesagt, aber für wie lange noch? Daher möchten Sie steuerlich möglichst schnell abschreiben. Gehen wir davon aus, Sie haben diese Betreiberimmobilie in Ihrem privaten Portfolio und müssen diese mit Ihrem persönlichen Einkommensteuersatz versteuern.

Sie haben die Immobilie für 300.000 Euro gekauft. Der Bodenwert liegt im konkreten Fall bei zwei Fünftel, das Gebäude macht drei Fünftel des Verkehrswerts aus. Der Gebäudewertanteil ist die Basis für Abschreibung für Abnutzung, denn der Grund und Boden wird durch den Escape Room nicht schlechter.

Das Finanzamt setzt eine wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer von 30 Jahren an. Pro Jahr können Sie knapp 6.000 Euro abschreiben. Sie streben aber eine höhere, schnellere Abschreibung an – und geben dafür ein Restnutzungsdauer-Gutachten in Auftrag.

Der Gutachter schafft es, die wirtschaftliche Restnutzungsdauer aufgrund der Notwendigkeit zum regelmäßigen Komplettumbau der Räume im Einklang mit sicherheitsrelevanten Aspekten auf zehn Jahre zu verkürzen. Automatisch können Sie jetzt 18.000 Euro im Jahr geltend machen. Somit verdienen Sie auf dem Papier rund 12.000 Euro weniger pro Jahr. Das ergibt eine Steuerersparnis von gut 5.000 Euro pro Jahr innerhalb der Dekade. Nach zehn Jahren ist das Gebäude allerdings komplett abgeschrieben und hat keinen steuerlichen Nutzen mehr für Sie als Eigentümer.

Zur Person
André Heid ist Geschäftsführer der deutschlandweit tätigen Heid Immobilienbewertung & Immobiliengutachter sowie Sachverständigen GmbH mit Hauptsitz im baden-württembergischen Walldorf.

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